Anstieg der Fallzahlen sexueller Gewalt gegen Kinder – wohin sich Betroffene und Angehörige wenden können
ZDF-Interview mit Prof. Jörg Fegert, Kinder- und Jugendpsychiater am Uni-Klinikum Ulm
Die Kriminalitätsstatistik hat jüngst einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen lassen. Im „heute journal“ hat Klaus Kleber am 26.05.21 mit Professor Jörg Fegert von der Ulmer Universitätsklinik über diesen Anstieg gesprochen.
Fegert bestätigte auf die Frage von Klaus Kleber, dass im Schnitt in jeder Schulklasse zwei Kinder seien, die schon einmal von sexueller Gewalt betroffen waren. Der Kinder und Jugendpsychiater sagte zu diesen Zahlen: Sexueller Missbrauch ist etwas Alltägliches und dieser alltägliche Missbrauch ist der eigentliche Skandal, nicht Anstiege in Statistiken“.
Der Experte wies darauf hin, dass mindestens 5 % in der Bevölkerung in der Kindheit missbraucht worden seien. „Es geht um Millionen Menschen, die in Deutschland betroffen sind“, so Fegert.
Auf die Frage, was es in dieser Situation besonders brauche, antwortete der Ulmer Professor: „Es braucht ‚Bystander‘, Personen, die um das Kind herum sind: Eltern anderer Kinder, Klassenkameradinnen und Klassenkameraden – das sind eigentlich die wichtigsten Brücken ins Hilfesystem“.
Er fährt fort: „Es braucht Mittler, und die Mittler, das sind die Personen, denen die Kinder ihr Vertrauen schenken: Lehrerinnen und Lehrer, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner. Deshalb ist es so wichtig, dass man im Umfeld aufmerksam ist, dass man Kindern glaubt.“
Klaus Kleber stellte die Frage, an welche Adresse man sich am besten wenden solle.
Fegert: „Es gibt ein Hilfetelefon des unabhängigen Beauftragten (der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, Anmerkung der Redaktion), das rund um die Uhr erreichbar ist und das einem den Weg in die nächstgelegene Beratungsstelle weist, z.B. des Kinderschutzbundes usw., zu spezifischen Beratungsstellen wie „Wildwasser“ usw., das würde ich empfehlen“.
Textübertragung aus dem ZDF-Beitrag: Albrecht Schäffer, Quelle: www.zdf.de/mediathek
Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800-22 555 30
(rund um die Uhr, anonym, kostenfrei)
Kinder- und Jugendtelefon: 116 111
(mo. – sa., 14 – 20 Uhr, anonym, kostenfrei)